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Es krabbelt uns die Zukunft auf den Teller


Ein MĂ€dchen und ein Junge, die Schokolade essen

Schokoladenkekse mit gerösteten MehlwĂŒrmern von Snackinsects / Dschungelade.

Author: Annika vom Foodlab

Sie haben einen hohen Proteinanteil und eine schnelle Wachstumsrate - die Rede ist hier von Insekten als die neuen „Retter“ des global wachsenden Fleischbedarfs. Werden wir Insekten in unsere ErnĂ€hrung integrieren? Unsere Gastautorin Annika vom Foodlab der FH MĂŒnster hat ein paar Fakten zusammengestellt.

Die aktuelle Problematik


Noch 32 Jahre sind es bis zum Jahr 2050: Ein Zeitalter, in dem zehn Milliarden Menschen satt werden mĂŒssen. Laut neuesten SchĂ€tzungen der UN-Landwirtschaftsorganisation soll die Fleischproduktion dann auf 465 Millionen Tonnen weiter gesteigert werden – und das mit gravierenden Umweltfolgen. Neben einer VerstĂ€rkung des Treibhauseffekts und dem weiteren Sterben von Arten durch Nutztierhaltung beansprucht die Viehzucht durch den Futtermittelanbau schon jetzt ĂŒber ein Drittel der landwirtschaftlich genutzten FlĂ€chen.

Um den wachsenden Proteinbedarf der Menschen decken zu können, mĂŒssen also nachhaltige Lösungswege her. Laut Hanni RĂŒtzlers aktuellem Food Report können sich die Insekten ernĂ€hrungsphysiologisch und ökologisch als eine Möglichkeit anbieten: Sie sind fettarm, protein- und vitaminreich und ihre Zucht ist effizient und klimafreundlich. Im Vergleich zur Viehzucht entsteht bei der ZĂŒchtung von MehlwĂŒrmern, Grillen, GrashĂŒpfern und Co. weit weniger Belastung durch Treibhausgase. Schon 2013 hat die WHO darauf hingewiesen, Insekten mehr in den Speiseplan einzubauen und hierfĂŒr ein Programm gestartet.

Das Auge „isst“ mit

Durch die aktuelle „Novel Food“ Verordnung wird die EinfĂŒhrung und die Verarbeitung der Insekten fĂŒr den europĂ€ischen Markt erleichtert und lĂ€sst eine FĂŒlle an Produkten zu: War es gestern noch der Halloween Schreck, ist es heute ein Burgerpatty aus BuffallowĂŒrmern, der durch seine andere Form und Aussehen zum Appetit einladen kann. Laut einer aktuellen Springer Studie, die die Akzeptanz von Insekten in der ErnĂ€hrung untersuchte, werden insektenhaltige Gerichte, in welchen diese nicht sichtbar sind, klar bevorzugt. Dies könnte zukĂŒnftig eine Möglichkeit werden eine neue Proteinquelle zu integrieren. Laut Prof. Guido Ritter, ErnĂ€hrungswissenschaftler und Lebensmittelchemiker der FH MĂŒnster, sind die Menschen ursprĂŒnglich „Allesesser“, haben ein angeborenes Geschmacksempfinden und entwickeln ihre Esskultur erst im Laufe ihres Lebens. Wenn man also schon bekannte Lebensmittel mit Insekten zusammenfĂŒhrt, bestĂ€nde eine Chance dessen Akzeptanz zu fördern.

Historisch nie relevant gewesen

Allerdings gestaltet sich eine schnelle Änderung des Essverhaltens noch schwierig. Global betrachtet essen viele Menschen Insekten, doch waren sie bis auf Ausnahme der MaikĂ€fersuppe im 19. Jahrhundert, nie Teil der westlichen Esskultur. Laut dem Food Report werden in Mexiko Heuschrecken-Taco und in China der Teller mit Babybienen schon lange als eine Delikatesse angesehen. Hierzulande bestimmt aber eher Ekel und Abscheu den Umgang damit und ist daher auch soziokulturell mĂŒhsam zu Ă€ndern.

Das Fazit der Springer Studie war auch, dass Insekten-Nahrung eher Menschen mit dem BedĂŒrfnis nach neuen kulinarischen Erfahrungen ansprechen und diese es als eine Möglichkeit sehen sich abzuheben. Das sind allerdings nur ca. 10-15 Prozent der Konsumenten und noch zu gering, um ein Essverhalten gesellschaftlich zu verĂ€ndern.

Dennoch offenbleiben?

ZukĂŒnftig ist es wichtig, dass Gelegenheiten geboten werden essbare Insekten zu probieren, um Vorurteile abzubauen und Toleranz zu wecken. Die Sichtbarkeit der Tiere in den Produkten hat einen enormen Einfluss auf den Umgang damit und kann durch neue Produktverarbeitung wie z. B. Mehl, Pulver oder die genannten Burger umgangen werden. Es ist schon jetzt klar, dass neue Wege in dem Essverhalten gegangen werden mĂŒssen, um den Problemen der WelternĂ€hrung gerecht zu werden. Auch wenn es so manchem schwerfĂ€llt, so sollte man zukĂŒnftig offen sein fĂŒr neue GeschmĂ€cker und bei der Lebensmittelwahl- auch wenn es auf dem Teller krabbelt.

Annika Marie Lauxtermann, ehemalige Krankenschwester einer Berliner Intensivstation, nun Studentin fĂŒr Oecotrophologie an der Fachhochschule MĂŒnster, hat diesen Artikel fĂŒr uns geschrieben.

Mehr zu Annika und dem Foodlab findet ihr hier: http://logbuch-phase-elf.de/logbuch/foodlab

Quellen:

Durst, Patrick: Forest Insects as Food: Humans Bite Back: Proceedings of a Workshop on Asia-Pacific Resources and Their Potential for Development (2008): Chiang Mai: Food and Agriculture Organization of the United Nations, Regional Office for Asia and the Pacific. [online]

URL: http://www.fao.org/docrep/012/i1380e/i1380e00.pdf [Stand: 03.07.2018]

Meixner, Oliver; Mörl von Pfalzen, Leonhard (2018): Die Akzeptanz von Insekten in der ErnÀhrung: Eine Studie zur Vermarktung von Insekten als Lebensmittel aus Konsumentensicht. Berlin Heidelberg New York: Springer-Verlag.

Ritter, Guido: ErnĂ€hrung der Zukunft - Insekten auf der Speisekarte?!(2017): TEDxMĂŒnster. [online]

URL: https://www.youtube.com/watch?v=V6QaEgdEgyk [Stand: 30.06.2018]

RĂŒtzler, Hanni; Reiter, Wolfgang (2016): Hanni RĂŒtzlers Food Report 2017. Kelkheim: Zukunftsinstitut GmbH.

RĂŒtzler, Hanni: Was essen wir morgen? (2004): 13 Food Trends der Zukunft. Wien: Springer.

RĂŒtzler, Hanni; Reiter, Wolfgang (2014): Hanni RĂŒtzlers Food Report 2015. Frankfurt: Zukunftsinstitut GmbH.

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