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Werte und nachhaltiges Handeln - die Top-Trends in Hanni Rützlers Food Report 2022

Im Mai wurde der Food Report 2022 der Trend-Forscherin Hanni Rützler zum 9. Mal veröffentlicht. Worum geht es? Um Food-Trends, die Antworten auf Wünsche, Sehnsüchte und Probleme geben und die Art und Weise, wie wir essen, nachhaltig verändern werden. Der Food Report gilt in der Lebensmittelproduktion, im Lebensmittelhandel und in der Gastronomie als wegweisende Publikation, die Orientierung bietet, inspiriert und Mut macht, neue Wege einzuschlagen. Wir waren zu den Veränderungen der Food-Branche mit Hanni Rützler im Gespräch.


Food Trends 2022 als Map, erarbeitet von Hanni Rützler
Food_Trend_Map_2022

Quelle: Food Report 2022


Als eine der führenden Foodtrend-Forscher*innen Europas untersucht Hanni Rützler seit über 25 Jahren den Wandel unserer Esskultur. Sie nimmt Entwicklungen in einer Phase wahr, in der diese noch nicht quantitativ messbar sind. Auch unscheinbare Veränderungen, wie und was wir essen, registriert sie und ordnet diese ein. Als ausgebildete Ernährungswissenschaftlerin und Gesundheitspsychologin bewegt sie sich professionell zwischen den Disziplinen und versteht es, verschiedene Erkenntnisse zusammenzuführen und auf überraschende Weise fruchtbar zu machen.


Der Food Report 2022 ist während der Corona-Pandemie entstanden, in der sich Werte für uns verschoben haben und das Essen wieder näher an uns gerückt ist. Der aktuelle Food Report befasst sich mit den vier Themen THE NEW NORMAL, FOOD-TRENDS 2022, BRANCHEN-INSIGHTS GASTRO und E-FOOD. Die schauen wir uns jetzt genauer an:


The New Normal - Wie Corona langfristig unser Konsum- und Essverhalten verändert

Corona hat uns gezwungen Dinge zu verändern; so haben diese Veränderungen auch Umbrüche in der Lebensmittelwirtschaft mit sich gebracht: Die Nutzung digitaler Kanäle wurde durch Corona forciert und viele von uns werden diese weiterhin nutzen. Gleichzeitig ist die Bedeutung von ökologischen, ethischen und sozialen Werten gestiegen. Vor allem junge Unternehmen nutzen beides - digitale Kanäle und ökologische, ethische und soziale Werte – in Form von überzeugenden Missionen und neuen Geschäftsmodellen. Damit rücken sie näher an Gesellschaft und Natur heran. Corona hat auch dazu geführt, dass Gesundheit holistischer betrachtet und die gemeinsame Mahlzeit genussvoll zelebriert wird. Genuss ist laut Hanni Rützler viel wichtiger geworden. Das gleiche Bild zeigt sich auch im Nutrition Hub Trendreport Ernährung: Die Corona-Pandemie hat zu widersprüchlichem Verhalten geführt. Auf der einen Seite neigen viele aufgrund der psychisch belastenden Situation dazu, zu viel zu essen. Auf der anderen Seite interessieren sich viele Menschen stärker für gesunde Ernährung und für die Nachverfolgbarkeit von Lebensmitteln.


Die erzwungenen Veränderungen können jetzt mit einem kritischen und zugleich weitsichtigen Blick beobachtet werden. Im künftigen New Normal bleibt das Essen näher am Menschen. Gleichzeitig wird Nachhaltigkeit, im ökologischen und sozialen Sinne zum neuen Qualitätskriterium. Von Unternehmen wird ein klares Bild von einer besseren Zukunft gefordert.


Die Food-Trends 2022 - Störfaktoren für das Business as usual und strategische Orientierung

Um die Veränderungen richtig einschätzen zu können, ist es wichtig ein Verständnis von Food-Trends zu haben: Hanni Rützler geht nicht wie in der Ökonomie oder Marktforschung üblich von quantitativ messbaren Trends aus. Ihr Ansatz ist die qualitative Einschätzung von Trends, also sehr “schwache Signale” zu erkennen und einzuschätzen, warum es zu diesen Entwicklungen kommt. Generell lassen sich Trends unterteilen in Megatrends (Halbwertszeit: 30-50 Jahre), soziokulturelle Trends (Halbwertszeit: 15 Jahre) und Konsumtrends (Halbwertszeit: 5 Jahre). Die Food-Trends, die Hanni Rützler beschreibt, sind nicht ubiquitär, sie wirken nicht auf allen Ebenen der Gesellschaft, sondern sprechen unterschiedlichste Zielgruppen an und werden von deren Akteuren und Akteurinnen getragen. Die drei Food-Trends, Zero Waste, Local Exotics und Real Omnivore, beschreibt Hanni Rützler im Report so:

  • Zero Waste: Dank der Cradle-to-Cradle-Philosophie und der weiterentwickelten Sharing Economy entsteht das Bedürfnis, Müll nicht nur wiederzuverwerten, sondern ihn erst gar nicht anfallen zu lassen.

Definition Cradle to Cradle (C2C): “Dabei handelt es sich um einen positiven und ganzheitlichen Ansatz der Nachhaltigkeit, der nicht von der Reduzierung, sondern von einer unbegrenzten Wiederverwendung der eingesetzten Rohstoffe ausgeht.” (Quelle: Praxishandbuch Nachhaltige Produktentwicklung, Springer Berlin Heidelberg, 2018)

  • Local Exotics: Die Lockdowns haben die Nachfrage nach lokaler Lebensmittelproduktion erhöht; gleichzeitig entstand eine große Sehnsucht nach exotischen Genüssen. Diese beiden - im Widerspruch stehenden - Bedürfnisse werden durch neue Angebote, wie regional angebaute “Exoten” (z.B. Ingwer oder Kurkuma aus Österreich) in Einklang gebracht. Die Frage, die sich hierzu stellt: Wie wird die Zukunft in Vertical Farming oder Urban Farming aussehen? Werden auch protein-haltige Pflanzen wirtschaftlich angebaut werden können?

  • Real Omnivore: Algen, Cultured Meat und Plant-based Substitutes. Real Omnivores werden zu Esstypen, die Genuss mit Verantwortung verbinden, ohne sich einem radikalen Verzichtsregime unterzuordnen. Diese Entwicklungen spielen bei der älteren Generation (über 50 Jahre) kaum eine Rolle, bei den Generationen Y und Z sehr wohl.


E-Food - Die neue Konnektivität für personalisierte und nachverfolgbare Ernährungslösungen

Die Corona-Pandemie hat der reinen analogen, physischen Handels- und Gastrowelt ein Ende beschert: Der Megatrend Konnektivität treibt den Strukturwandel des Ernährungssystems. Die technologisch vernetzte Kommunikation bietet unzählige Möglichkeiten für eine nuancierte Auswahl von lokalen Spezialitäten bis zu personalisierten Lebensmitteln. Gleichzeitig nutzen Verbraucherinnen und Verbraucher und Unternehmen die vernetzte Kommunikation, um eigene Communities aufzubauen: Gemüsebauern und -bäuerinnen gründen “Versorgungsnetzwerke” oder Food-Sharing-Netzwerke zum Austausch von Rezepten oder Kochkursen. Die Vernetzung schafft neue soziokulturelle Strukturen, die auch Gastronomie, die Lebensmittelproduktion, die Landwirtschaft sowie unser Koch- und Essverhalten in Summe grundlegend umkrempeln.


Gastro - Die Post-Corona-Gastronomie wird gemüsereicher sein

Die Branche der Gastronomie und Hotellerie wurde sehr hart durch die Pandemie getroffen. Einige konnten die Zeit des Lockdowns nutzen, um neue Konzepte zu entwickeln wie z.B. Take-Away-Angebote oder die online-Kanäle für Home-Cooking-Menüs. „Wer in Zukunft in Gastronomie und Hotellerie reüssieren will, braucht ein unverwechselbares Profil. Da reichen die kreativen Lösungen, die in der Krise rund um Delivery und Meal Kits entwickelt wurden, alleine nicht mehr aus“, so Hanni Rützler. Ein Mix aus „Dining-out“ und „Dining-in“ wird zur neuen Normalität.


Ökonomisch erfolgreich bedient werden können, laut Hanni Rützler, Restaurants, die pflanzlichen Speisen einen kulinarisch höheren Stellenwert einräumen. Hierfür ist nicht nur Fantasie in der Küche gefragt, sondern auch ein spezifisches Know-how: Man wird wegkommen müssen von der Nutzung von Salz und Pfeffer zum Würzen von Speisen und vielmehr auf Gewürze und Kräuter zurückgreifen, die ein weitreichenderes Geschmackserlebnis ermöglichen. Die Zunahme der Wichtigkeit von vegetarischen und veganen Restaurants wird nun auch gefördert vom eher konservativen Gourmetführer Guide Michelin. Der grüne Stern wird an Betriebe vergeben, die besonders umweltfreundlich und ethisch handeln. Die Sterne-Köche, Alexis Gauthier (Gauthier Soho, London) und Daniel Humm (Eleven Madison Park, New York), möchten einen Beitrag zur Nachhaltigkeit der Lebensmittelproduktion leisten und haben daher das Speisenangebot ihrer Restaurant vollkommen auf vegan umgestellt.


Viele Entwicklungen, viele Möglichkeiten. Nur, was wird davon Realität?

Beginnen wir mit einer kurzen Zusammenfassung. Aus unserer Sicht sind drei Entwicklungen treibend für die kommenden Jahre:

  • Werte und Haltung gewinnen an Bedeutung, z. B. bevorzugen immer mehr Menschen bevorzugen Produkte aus der Region und wünschen sich von Unternehmen nachhaltiges unternehmerisches Handeln, das Menschen und Planeten schützt.

  • Ein ganzheitliches Verständnis von Ernährung etabliert sich (Tierschutz aus ethischen Gründen wird wichtiger, "essen" soll weniger das Klima belasten)

  • In der Gastronomie wird "veggie" ein zentraler Bestandteil der angebotenen Speisen.

Die Entwicklungen, die Hanni Rützler beschreibt, sind so neu, dass diese nicht quantitativ messbar sind. Erst viel später werden wir sehen, welche Entwicklung sich Jahre später im Massenmarkt durchgesetzt hat. Die Kernfrage, die sich jeder und jede stellen sollte ist, welche dieser Entwicklungen für das eigene Geschäftsmodell relevant ist und wie man diese Entwicklung nutzen kann, um mit dieser zu wachsen.


Die Frage ist nicht, ob diese Entwicklungen Realität werden. Die Frage ist, wann sie Realität werden.

 

Das Gespräch mit Hanni Rützler, futurefoodstudio, führte Dr. Simone K. Frey, Geschäftsführerin NUTRITION HUB. Ausgangspunkt war die Nutrition-Hub-Veranstaltung zum Foodreport 2022 am 14. Juli 2022. Wer mehr über die vier Fokusthemen im Foodreport 2022 erfahren will, einfach den Foodreport 2022 kaufen: Hier geht es zum Shop. Wer Hanni Rützler als Expertin buchen möchte, einfach eine mail an office@futurefoodstudio.at schicken.


Simone_Frey - Gründerin und Geschäftsführerin von Nutrition Hub
Simone_Frey_Gründerin und Geschäftsführerin von Nutrition Hub

Dr. Simone K. Frey, Geschäftsführerin NUTRITION HUB



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