Dr. Sebastian Huhn ist Ernährungswissenschaftler und als Projekt-Koordinator im Wissenschaftsmanagement an der Erarbeitung eines Forschungsantrages im Bereich Kinder- und Jugendgesundheit beteiligt. Im Interview mit Lina Samira Bahr sprach er über die Bedeutung der Interdisziplinarität der Ernährungswissenschaften, das teils mangelnde Wissen über die Kompetenz von Ernährungsfachkräften und darüber, wieso die Welt mehr ErnährungswissenschaftlerInnen braucht.
Sie haben an der Uni in Halle-Wittenberg einen Bachelor und Master in Ernährungswissenschaften absolviert. Hat Ihnen das Studium gefallen? Wenn ja, was hat Ihnen gefallen, was eher nicht? Würden Sie es nochmal studieren?
Das Studium hat meine Erwartungen voll erfüllt und ich bin sehr zufrieden damit. Vor allem die Verknüpfung mit anderen Studiengängen (v. a. Medizin, aber auch Psychologie) hat mir sehr zugesagt und geholfen, den eigenen Horizont zu erweitern. Mittlerweile würde ich mich für Medizin entscheiden, wenn ich erneut studieren könnte, was aber hauptsächlich an der Verschiebung meiner Interessen liegt und nicht an der Qualität des Studiengangs.
Im Anschluss an das Studium haben Sie begonnen, am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften zu arbeiten. Welche Aufgaben haben Sie hier als Ernährungswissenschaftler übernommen?
Zu Beginn war ich für die Auswertung von verschiedenen Ernährungsfragebögen verantwortlich, hatte dann aber noch die großartige Möglichkeit eine eigene Studie durchzuführen. In dieser Studie haben wir uns den Einfluss eines Polyphenols (Pflanzenbestandteil) auf verschiedene kognitive Parameter, aber auch Blutwerte und andere Kenngrößen untersucht. Das war ein sehr spannendes Projekt.
Nun sind Sie u.a. Projekt-Koordinator und an der Erstellung eines Forschungsantrages im Bereich Kinder- und Jugendgesundheit beteiligt. Was genau bedeutet das? Was ist Ihre Aufgabe, was ist Ihre Vision?
Die Vision ist es, die Forschung im Bereich Kindergesundheit am Standort Leipzig besser zu vernetzen und die herausragenden Expertisen mit mehr Synergien zu einem großen Ganzen zu verbinden. Das bedeutet für mich viel Netzwerkarbeit – also: Leute kennenlernen, ihre Forschungsschwerpunkte und Leidenschaften verstehen und dann Kollaborationsmöglichkeiten schaffen.
Wie sieht ein normaler Arbeitstag bzw. eine normale Arbeitswoche für Sie aus?
Einen normalen Arbeitstag gibt es nicht und meine Arbeitswoche erfordert viel Flexibilität, um die verschiedenen Meetings (manchmal bis zu 3-4 an einem Tag), Recherchearbeiten, Präsentationen, Fortbildungen und Konferenzen unter einen Hut zu bekommen.
Was ist das Beste an Ihrem Job? Würden Sie sich wieder dafür entscheiden?
Neben der Möglichkeit viele faszinierende WissenschaftlerInnen und deren spannende Themen kennenzulernen, ist es die zeitliche Flexibilität, die mir meine Arbeit ermöglicht. Das i-Tüpfelchen ist die Tatsache, dass sehr produktive Meetings durchaus auch in einer entspannten Atmosphäre bei einem guten Flat White und einer leckeren Nussecke im Lieblings-Café stattfinden können.
Was halten Sie für die größten Hürden und Grenzen als ErnährungswissenschaftlerInnen in der klinischen Forschung?
Leider wissen ganz viele WissenschaftlerInnen und MedizinerInnen nicht, wozu ErnährungswissenschaftlerInnen ausgebildet sind. Das liegt sicherlich auch an der katastrophalen Vereinheitlichung/Vergleichbarkeit der Studiengänge innerhalb Deutschlands. Ansonsten gibt es rein inhaltlich/fachlich gesehen die gleichen Grenzen wie für alle anderen NaturwissenschaftlerInnen.
Gibt es Perspektiven für ErnährungswissenschaftlerInnen in der klinischen Forschung?
Absolut. Meiner Meinung nach, braucht die klinische Forschung mehr ErnährungswissenschaftlerInnen, um diesen einfachen, kostengünstigen und vor allem schmackhaften Lebensstilfaktor besser zu erforschen. Denn was aktuell an vielen Stellen als „Ernährungsforschung“ deklariert wird, ist ganz häufig eher zum Davonlaufen und hat nicht viel mit fundiertem Ernährungswissen zu tun.
Was empfehlen Sie BerufseinsteigerInnen, die sich für solch eine Stelle interessieren?
Vor allem selbstbewusst zu sein und zu den eigenen Stärken zu stehen. Hierzu zählt unter anderem auch die hohe Interdisziplinarität, die durch den Studiengang gelernt wird und im modernen Arbeitsleben immer mehr Bedeutung gewinnt. Wenn dann in einer interessanten Stellenausschreibung nicht direkt nach ErnährungswissenschaftlerInnen gesucht wird (was sehr häufig der Fall ist), die Anforderungen aber zum Großteil erfüllt werden können (was ebenfalls sehr häufig der Fall ist), lohnt sich definitiv eine Bewerbung. Denn ganz viele Forschungseinrichtungen, aber auch Kliniken und Unternehmen können von ErnährungswissenschaftlerInnen profitieren; sie wissen es nur leider ganz oft selbst noch nicht.
Warum braucht die Welt ErnährungswissenschaftlerInnen?
Zum einen natürlich um einen der wichtigsten Lebensstilfaktoren zu erforschen, mit dem auf der einen Seite ganz viel Leiden durch zum Beispiel Adipositas, Diabetes oder Bluthochdruck präventiv verhindert werden könnte, aber auf der anderen Seite auch die Leistung gesteigert werden kann, wie es momentan vor allem im Bereich des Leistungssports der Fall ist. Zum anderen aber auch um den ganzen „hippen" und „trendigen“ Food-Influencern entgegenzutreten und sich wissenschaftsbasiert und faktengesteuert mit der Materie auseinanderzusetzen und Informationen zu vermitteln.
Wer mehr über Dr. Sebastian Huhn erfahren möchte, kann sich über LinkedIn mit ihm vernetzen.
Anmerkung: Das Interview wurde bereits 2019 geführt.
Dieses Interview wurde geführt von Lina Samira Bahr.
Lina ist Ernährungswissenschaftlerin und promoviert zu ketogener Ernährung bei Multipler Sklerose an der Berliner Charité. Neben der Ernährungsmedizin, liebt sie das Reisen, die Fotografie und orientalischen Tanz um sich fit zu halten.
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